Wir sind nicht so, wie ihr denkt

Das große Misstrauen
Wer, wie ich, Rechtschreibung prüft und korrigiert, wird misstrauisch beäugt. Man unterstellt uns, die wir Schriften korrigieren, stets auf Lauer und Jagd zu liegen, dem Fehlerteufel die Hörner zu stutzen.

Betrüblich und wahr zugleich: Oft wird wird ein Analogieschluss gezogen auf unsere Ethik, auf unsere Moral, auf unsere Lebenseinstellung: Wir Korrektoren, so höre ich, dünkten uns, was Bess’res zu sein.

Ziemlich schräg, ziemlich falsch.

Richtig ist: Wenn wir arbeiten, geben wir unser bestes.* Wenn wir uns aber unterhalten, wenn wir anderen beim Schreiben zuschauen wie zum Beispiel in Foren, Gästebüchern, auf Facebook, benehmen wir uns ziemlich entspannt in Sachen Rechtschreibung. Dumm nur, dass uns das keiner glaubt. Wir stehen unter Generalverdacht, wir werden mit Misstrauen beäugt.

Das ist eine Lebenserfahrung, die manch einen aus der Riege der Korrektoren hat sauertöpfisch werden lassen. Ehrlich: Wir sind nicht so, wie ihr denkt.

Mein Manifest
1. Jeder Mensch verspricht sich – warum sollen wir uns nicht verschreiben dürfen?

2. Wenn ich einen Text korrigieren soll, gilt dem meine ganze Aufmerksamkeit. Meine Aufmerksamkeit ist niemals konstant hoch – herauszufinden, wann ich nachlasse, gehört zu meinen Pflichten.

3. Ich weiß viel – viel mehr aber muss ich nachschauen. Meine Alarmglocken sind mir wertvoller als mein (eingebildetes?) Wissen.

4. Bei Fehlern gibt es durchaus Qualitätsunterschiede, kein Arbeitsprozess gleicht dem anderen. Das heißt: Der Einzelfall entscheidet, ob es Flüchtigkeit war, die den Fehler durchflutschen ließ, oder Inkompetenz.

5. Das (und die Herkunft des Fehlers) entscheidet darüber, ob ich die Stelle anprangere oder nicht.

Ende.

(Wobei ihr mir helfen könnt: Wenn ihr eine einzige Stelle findet, in der ich mich über andere erhebe wegen fehlerhafter Rechtschreibung, spende ich 2 Euro an die SOS Kinderdörfer.)

* Ich weiß, Duden möchte, dass ich Bestes schreibe mit großem <B>. Mir schreit das großgeschriebene Wort zu laut: Bestes in der Großschreibung empfinde ich als Angeberei. Das beste ist in diesem Fall gut genug.

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