Wenn doch die Deutschen das Verb so weit nach vorn zögen, „that one it without a telescope discover can!“
Mark Twain soll das gesagt haben, der US-amerikanische Schriftsteller, der Tom Sawyer erfand und den Huckleberry Finn. Was hat Twain damit gemeint?
Weltberühmt – und schlecht übersetzt
Und da muss ich gleich wieder mit einem Zitat kommen. Mein Bruder erzählt am Telefon, er fliege für einige Zeit nach Georgien. Irgendwo in den Bergen um Tiflis werde er Verhandlungen führen, für die Abende vermutet er Langeweile, der er mit Lesen begegnen will – Frederick Forsyth steht auf seiner Liste.
Frederick Forsyth hat den „Schakal“ geschrieben, einen Roman um ein Attentat. Die Verfilmung mit Bruce Willis und Richard Gere steht mir deutlich vor Augen, und ich leihe, angeregt durch das Telefonat, zwei Bücher des Autors aus unserer Bücherei: „Cobra“ und „Der Afghane“. Nun das Zitat aus Forsyths „Cobra“:
„Das MAOC hat die Aufgabe, die Bemühungen der europäischen Polizei- und Marinestreitkräfte bei der Bekämpfung des Kokainschmuggels aus dem karibischen Becken zu den Küsten Westeuropas und Westafrikas zu …“
Rate mal, welche Aufgabe das Maritime Analyse- und Operationszentrum MAOC hat!
Der Leser darf nicht rätseln müssen. Niemals!
Vom ersten Wort des Satzes bis zu der Stelle, an der ich abbreche, liegen 28 Wörter. Achtundzwanzig Wörter inklusive Inhalt und Bedeutung, die der Leser sich merken muss, damit er den Satz vom Ende her verstehen kann. Damit ist er überfordert. Oder etwas weniger streng: Der Autor könnte es ihm leichter machen. (Ich bin kein profunder Kenner der englischen Sprache; deswegen verdächtige ich die üble Satzstellung, eine Missgeburt zu sein der deutschen Übersetzung.)
Welche Aufgabe hat denn nun das MAOC? Bekämpft es die Bemühungen der Polizei? Durchkreuzt es sie? Stützt es sie? Publiziert es die Bemühungen als eine Art PR-Abteilung? Berichtet es an die europäischen Regierungen? Wir, das heißt wir Leser, erfahren es erst nach 28 Wörtern: Das MAOC koordiniert. Warum sagt uns das Forsyth denn nicht gleich?
Das MAOC koordiniert die Bemühungen der europäischen Polizei- und Marinestreitkräfte bei der Bekämpfung des Kokainschmuggels aus dem karibischen Becken zu den Küsten Westeuropas und Westafrikas.
Sofort herrscht Klarheit! Wenn die Blähformulierung wegfällt (hat die Aufgabe) und gleich die Aussage kommt (koordiniert), weiß der Leser Bescheid!
Von außen betrachtet
Im Interview mit ZEIT online spöttelt der US-Schriftsteller David Sedaris über diese Eigentümlichkeit: „Ich liebe den deutschen Satzbau, er ist wunderschön. Vor allem mag ich die Sätze mit zwei Verben, in die man alle Infos in die Mitte hineinstopft und dann zum Schluss das Verb setzt, das wie eine strahlende Berühmtheit heraussticht.“
Zwei Verben bietet das Beispiel nicht, es handelt sich vielmehr um eine Variation der von Ludwig Reiners so getauften Klemmkonstruktion. Sie ist hässlich, und wer in der Klemme sitzt, sollte rausfinden; die Leser werden es danken. Wie das geht, das Herausfinden, demnächst hier.
Viel Spaß – und eine gute Zeit!