„Auch an diesem Abend laden der gemütliche Innenhof oder das rustikale Restaurant bei stilvollem Ambiente zum Verweilen ein und die neue Vinothek in den Scharfrichtergemäuern verköstigt Weinliebhaber mit den edelsten Tropfen der Weintraube.“
Dieser Satz steht so im Juli-Newsletter vom ScharfrichterHaus, der Passauer Institution. Wer als Kabarettist in Deutschland etwas auf sich hält, kommt an einem Auftritt in den Gewölben aus dem 13. Jahrhundert nicht vorbei. Ein über die Jahre kenntnisreich gewordenes Publikum folgt den Künstlern bei ihren Wortspielereien, die sich mal mehr, mal weniger gelungen in Pointen entladen.
Overkill mit Adjektiven
Dass sich die Hauspost des Scharfrichterhauses an der Künstler Treffsicherheit orientiert, lässt sich dagegen nicht behaupten. Ein Werbetexter hat, wie üblich, Substantive mit Adjektiven aufgeschüttelt: Der Hof liegt nicht nur innen, nein, er ist auch noch gemütlich; das Restaurant dagegen ist rustikal, das Ambiente stilvoll, die Vinothek neu, und die Tropfen sind, wie könnt’ es anders sein, edelst. Diese Häufung innerhalb eines Satzes wirkt schon fast komisch. Aber noch etwas stört, und das kommt ein wenig subtiler daher …
Menschenleere Veranstaltungsstätte: das Scharfrichterhaus in Passau
In diesem Werbetext erscheint das Scharfrichterhaus wie nach einem Angriff mit der Neutronenbombe: Es gibt keine Menschen, die agieren, nur Gemäuer und Pflanzen.
Man darf’s ihm im Grunde nicht verübeln, dem Texter: Er hat lediglich eine Forderung guten Stils befolgt, er hat aktiv formuliert – und ist übers Ziel geschossen. Und nun?
Mein Tipp: Menschen ins Spiel bringen. Den Inhaber einladen lassen. Oder einen der Künstler Zeugnis ablegen lassen über die (na gut) ‚edelsten‘ Tropfen der Weintraube, die in der Vinothek ausgeschenkt werden.
Und schließlich dem Text die Krone aufsetzen mit der augenzwinkernd angepassten Variante des Bibelwortes vom alten Wein in neuen Schläuchen:
Neuer Wein in alten Gemäuern
Macht dreifuffzich, dankeschön.
Bis bald – und eine schöne Zeit!