Erschwinglich ist gut. Ist „erschwinglicher“ besser?

„Langstrecken“, heißt es im Blog-Beitrag auf ZON, „wurden im Lauf der Zeit immer erschwinglicher, die Distanzen dank neuer Technologien länger.“ Ein Satz, hingehudelt und nachlässig formuliert.

Quelle: Die längsten Flugrouten der Welt

Erschwinglich lässt sich nicht steigern

Erschwinglich entstammt der Herrschaftssprache. Wenn einer reich ist, wenn er Millionen besitzt, stellt sich die Frage nicht, ob etwas „erschwinglich“ ist. Ein reicher Mensch denkt in anderen Kategorien. Nein, erschwinglich beschreibt, was Menschen wie du und ich vielleicht gerade noch so bezahlen können, ohne gleich in die Armut zu sinken.

Der Fehler des Autors: Er schreibt nicht, was wirklich geschehen ist (dass Fernflüge billiger wurden). Er drückt sich vor den Fakten, sie schienen ihm vielleicht, ja: zu billig. Ein gewichtigeres Wort musste her, und der Autor kommentiert subkutan. Gar nicht gut, denn dadurch wird sein Text anmaßend.

Der Autor mischt sich ein, er wertet. Mit erschwinglicher trennt er die Menschen in solche, die sich Flüge leisten können, und solche, für die Flüge immer noch unbezahlbar sind. Seine Wertung degradiert diese Menschen, denn was er mitliefert, was mitschwingt, die Resonanz des Satzes ist:

„Stell’ dich nicht so an – die Flüge sind doch immer billiger geworden.“

Natürlich schreibt er das nicht wörtlich, aber das ist, was er meint. Er steigert ein nicht steigerbares Wort und diskriminiert dadurch all jene Menschen, für die schon „erschwinglich“ unerreichbar ist.

Erst recht nicht darf das Wort erschwinglich deshalb gesteigert werden, weil der Autor den Hintergrund verschweigt, er jegliche Relation unterlässt, den Bezugsrahmen nicht klärt (für wen erschwinglich?). Wenn ich vier Kinder großziehe, hilft es mir gar nichts, dass Flüge billiger geworden sind – für mich bleiben sie eben nicht erschwinglich!

Distanzen, künstlich verlängert

Dank der Arbeit von Entwicklern und Ingenieuren fliegen Flugzeuge heute weiter als gestern, und morgen kommen sie vielleicht noch ein Stückchen weiter.

Das hat der Autor gemeint, aber das hat er nicht geschrieben. Er behauptet, verlängert habe sich die Distanz, also der Abstand zwischen zwei Punkten. Ausgesprochener Blödsinn, hingehudelt, wie gesagt. Von Frankfurt nach Johannesburg werden es immer 8.699 Kilometer sein, daran ändern auch neue Technologien nichts.

Was werfe ich dem Autor vor?

Ach, eigentlich gar nichts. Er weiß es nicht besser, sonst würde er es besser schreiben. Zu Hause, am Tresen, im Fitness-Center brüstet er sich vielleicht mit der Adresse ZON, ein bisschen vom Glanz des Blattes wird wohl auch ihn bestrahlen. Er selbst hingegen trägt nicht zum Glanze bei. Und die Wächter in der Redaktion, sie haben das Tor geöffnet und den Beitrag hineingelassen. Ach ja.

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