Erinnerungen an eine nicht enden wollende Bahnfahrt

[Ich habe diesen Text im Sommer 2022 geschrieben; damals hatte die Deutsche Bahn das Deutschlandticket im Angebot und damit ein Stück Abenteuer in den Alltag vieler Menschen gebracht. Über meine Erfahrungen mit diesen Abenteuern schrieb ich auf Facebook, daher rührt der vielleicht etwas kryptische Einstieg:] 

Deutschland, die vierte. Am Montagmorgen nach Ulm – nachmittags zurück. Umstieg in München. 18:24 Uhr.

Zwischen Moosburg und Landshut ist ein Ast durch die Luft geflogen. Eine mutige Oberleitung hat sich ihm in den Weg gehängt, nicht auszudenken, was hätte geschehen können, wenn der Ast auf einen Biergarten niedergefahren wäre.

Massive Verletzung der Oberleitung. Die Bahn sperrt das Gelände weiträumig ab, und im Münchner Hauptbahnhof stapeln sich die Reisenden vor den Monitoren: »Zug nach Passau fällt aus.« – »Zug von Passau fällt heute aus.« – »Zug nach Marktredwitz …« ihr wisst schon: fällt aus.

Gestrandet auf Gleis 26. Und die Oberleitung auf der Intensivstation. Ärzte, ähm: Bahnbedienstete reiben zu ernsten Mienen das Kinn und zucken mit allem, was ein Nein andeuten kann, Schulter, Handgelenk, Brauen und Kopf: Nein, heute geht da gar nix mehr. Nein, den ICE nach Nürnberg dürfen Sie mit Ihrem 9-Euro-Ticket nicht benutzen. Nein, wir haben keinesfalls für jeden Reisenden ein Hotelzimmer kontingentiert. Nein, … wir …

Ich bin dann in mich gegangen, habe vorsorglich einen Wasservorrat angelegt. Ausgelutschte Kaugummis gehören in jedes Survival Kit, ich klebe die »Falk Deutschlandkarte« an die Scheibe vom Gosch. Auf der anderen Fensterseite glotzen Hummer und Langusten. Die muss ich nicht fragen, die kennen sich auch nicht aus.

Von hier nach hier sieht auf Falk ganz einfach aus, man darf halt nicht nur in Luftlinie denken. Der Filzstift ruckelt Richtung Ingolstadt, Regensburg, Straubing, Plattling – noch ist der Kreis nicht vollendet, dafür aber bin ich dort, wo ich hin muss. Zumindest auf dem Papier. Nur mit der Zeit ist es so eine Sache: Ankunft 23 statt 21 Uhr. Da liege ich doch längst im Bett! Normalerweise. Und nun?

Wie ich dann doch noch zu einer irren Heimfahrt gekommen bin, verrate ich ein anderes Mal.

PS: Die Oberleitung konnte die Intensivstation noch in der späten Nacht verlassen. Und zur Wiederherstellung der angeschabten Nerven gab’s heute dann eine Schafsrunde auf dem Rad durch die Isarauen. 50 Kilometer, und meine Melancholie war besänftigt. Futter für die Seele. Die Schafe waren in Begleitung einer holden Maid, und ich kontaktierte sie mit schnurrend liebevollem »Griaß di«. Sie antwortete nicht. Blöde Kuh.

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