»Das liebestolle Krokodil«. Eine Annäherung an das erste Buch aus der Feder der KI

Prinz Rupi hat ein Buch geschrieben. Oder sollte ich sagen: schreiben lassen? »Das liebestolle Krokodil« ist das erste von einer Software verfasste Buch; die Vorarbeit dazu hat der Autor geleistet. Drei Möglichkeiten. 

Du fragst, erstens: »Prinz who?“ Du sagst, zweitens: »Na und?« Drittens, du rückst das Kissen im Nacken zurecht und lächelst.

Auf falscher Fährte?

»Das liebestolle Krokodil« – der Titel klingt nach Vorlesestunde, nach Kinderbuch, nach Fröhsinn (i. e. fröhlicher Blödsinn). Das Cover widerspricht dem nicht, doch just als du es dir kuschelig machen und die erste Seite aufschlagen möchtest, entdeckst du den Hinweis: eine Groteske. Und plötzlich schimmert durch den Titel eine zweite Möglichkeit.

Zur Sache »Erstens«

Spätestens an dieser Stelle müsste nun eine ernsthafte Kritik anheben, allein, mir liegt das Manuskript nicht vor.

Kein Dilemma ohne Ausweg, die Sozialpsychologie weist den Weg und nennt ihn »Halo-Effekt«: Ich schließe von Bekanntem auf Unbekanntes.

Erstens. »Prinz who?«

»Prinz who?« kam als Ruprecht Frieling zur Welt. Auf seiner Homepage steht das aus des Prinzen Sicht Wesentliche zu dem, was er treibt und leistet, der alte weiße Mann. Verleger, Hippie, Autor, Trüffelschweinchen, fröhlicher Kauz – bei Interesse bitte selber nachschauen: Klick! – Er gilt als innovativ, als Pionier.

Als einer der wirklich allerallerersten erkannte und nutzte Prinz Rupi alias Ruprecht Frieling die Chancen des Selfpublishings, die mit Amazons »Kindle Direct Publishing« um 2011 den Markt für Bücher revolutionierte.

Als ob Frau Malzahn einen T. Rex mit Erfolg um Befruchtung angefleht hätte … Prinz Rupi nennt »Das liebestolle Krokodil« eine Groteske – ein in Wort und Bild vom Computer erzeugtes Werk: ein Produkt der AI, der artificial intelligence, der sogenannten Künstlichen Intelligenz.

Zweitens. Na und? – Lernen durch Schmerz

Man schreibt das Jahr 2011. Die traditionellen Buchverlage stürzen sich lustvoll in denselben Fehler, den Jahre zuvor die Musikverlage noch als »Strategie« parfümiert hatten.

Damals hatte »Streaming« die Vertriebswege neu asphaltiert – die Musikverlage hatten die Nase gerümpft, während sich ihre Bilanzen blutrot färbten; und nun, 2011, träumten die Buchfabriken ähnlich versnobtes Zeugs und faselten von einer angeblich bloß peripheren Entwicklung.

Prinz Rupi indes teerte bereits eigene Bahnen und veröffentlichte Leitfaden auf Leitfaden zum »dernier cri«, zum jüngsten Schrei im, sagen wir mal großzügig und entsprechend unscharf: Verlagswesen. Ab sofort konnten Hänschen und Lieschen selbst veröffentlichen, ohne an die zuverlässig hochgeleierten Zugbrücken der Literaturburgen pochen zu müssen. Wow!

Drittens: Der Prinz kütt – bitte, lächeln!

Eine turbulente Zeit hub an. Und vielen voran marschierte … Prinz Rupi. Ein Buch folgte aufs nächste.

Selbstzweifel scheinen ihm fremd; wie sonst ist eine Bandbreite denkbar, die vom Kinderbuch des traurigen Roboters Archimedes über Neuauflagen abgelaufener Urheberrechte hin zu einer unprätentiösen, niemals aber respektlosen, sondern hoch fundierten Hintergrundbeleuchtung des »Ring des Nibelungen« reicht?

Ähnlich dämlich

Und nun also der nächste Sprung. Frieling hat ein Manuskript erstellt mit Unterstützung einer Software aus dem Areal der »künstlichen Intelligenz«, der AI.

[Einschub: Der Begriff »künstliche Intelligenz« ist ähnlich dämlich wie jener der »erneuerbaren« Energien. Es gibt keine Energie, die erneuert werden kann – wenn weg, dann weg; und das Gegenstück zur »artificial intelligence«, zur künstlichen Intelligenz, wäre ja wohl so etwas wie eine nicht geschaffene, sondern aus sich selbst heraus existierende, eine »natürliche« Intelligenz … Doch mit diesen Gedanken beträten wir den Bereich des Numinosen, und deshalb: Einschub Ende.]

So funktioniert das mit der AI

Man nehme eine Software und füttere sie mit Stichworten, und aus den Stichworten zaubert die Software eine Geschichte. Oder einen Song. Oder ein Gemälde.

App plus Keyword gleich Produkt? »Das ist ja einfach«, würde Boris Becker rufen und sich an 1999 erinnern, als ihm der Zugang zu AOL gelang. Ob es das wirklich ist, einfach, will ich versuchen herauszufinden und bitte für den Moment um Geduld, ich muss mich in die Materie einlesen. 

Schafft der Mensch sein Menschsein ab?

Dass ein Prozess einfach ist, sagt nichts über seinen Wert. Ist »Das liebestolle Krokodil« nun ein Kunstwerk? Oder ein Stück aus einem Überraschungsei? Oder vielleicht ein Prototyp?

Man muss vorsichtig sein mit einem Urteil über KI bzw. AI. Wer befürchtet, des Menschen Kreativität werde überflüssig durch den Einsatz von KI, unterschätzt diese Lebensform. Softwares sind weit davon entfernt, ein Abbild auch nur des menschlichen Gehirns zu sein, ganz zu schweigen von der Entität Mensch, seiner Seele, seinem Geist, seinen Gefühlen. KI kann viel und wird stets immer mehr können. Wenn wir darüber nachdenken, ob wir Produkte herstellen können, die klüger sind als wir, befinden wir uns ruckzuck im Mittelalter und grübeln übers Allmachtsparadoxon. »Kann Gott sündigen? Kann er einen Stein erschaffen, der so schwer ist, dass selbst er ihn nicht mehr heben kann?«

Schluss für heute

Mit diesen vagen Andeutungen verabschiede ich mich. Ich habe das Buch »Das liebestolle Krokodil« nicht gelesen – weiß der Geier, ob ich je die Lust dazu aufbringen werde, der auf Amazon mitgeteilte Inhalt ist dürftig: Im Wartebereich einer Promi-Tierklinik in Berlin-Neukölln bricht heilloses Chaos aus, als ein Krokodil den Raum betritt. Verzweifelt versuchen die Ärzte, ein Inferno zu verhindern. (Auszug aus der Beschreibung)

Aber vielleicht muss ich das ja gar nicht, es lesen; ich könnte es mir stattdessen vorlesen lassen: Der Text soll als Hörbuch erscheinen, die Sprecherstimme wird durch Künstliche Intelligenz erzeugt.

Na, dann!

Nachtrag. Zum »Schimmer« der zweiten Möglichkeit

Stichwort Halo. Ich glaube, Prinz Rupi, der Schalk, hat sehr ernsthaft an der Produktion vom liebestollen Krokodil gearbeitet. Und als er fertig war, sah er, dass es [gut/so lala/formidable/interessant/unergiebig] war (bitte nach Belieben und persönlichem Eindruck einsetzen).

Aber ich könnte mir vorstellen, es hat ihn, den Schalk, schon nicht mehr interessiert. Gelacht wird er haben. „Da sieh mal einer an«, wird er sich gedacht haben. »Was es so alles gibt.«

Und dann wandte er seine Aufmerksamkeit the next big thing zu. Denn nichts reizt einen Pionier weniger als eroberte oder vernagelte Horizonte.

PS: Hier geht’s zu Prinz Rupis Galerie und seinen AI-Gemälden.

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