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Darauf achtet der Lektor

Stilpapst, Besserwisser oder Goldschürfer?

Ein Lektor muss alles wissen. Geht natürlich nicht: Er kann gar nicht alles wissen, er ist ja kein Athanasius Kircher. Wie also findet er aus dem Dilemma? Ganz einfach: Statt zu tun, als wisse er alles, zweifelt er erst einmal alles an.

Das hier ist eine Raterunde. Die Frage lautet: Was ist falsch im unten stehenden Absatz?

Teste deine Spürnase: Was würdest du lektorieren?

Jeder darf mitmachen, jede darf mir Antwort und Einschätzung und Tipp mailen. Egal wann, egal auf welche Weise. Brief, Mail, Facebook.

Aber aufgepasst, Damen und Herren: Dieses Mal geht es nicht um Stil! Es geht nicht darum, ob Maria Adolfson, die Autorin, etwas hätte anders formulieren sollen, können, müssen. Der Originaltext erschien auf Schwedisch, weiß der Deibel, was Stefanie Werner, die Übersetzerin, vorfand. Nein, Werners Arbeit will ich nicht begutachten oder gar beurteilen, es geht nicht um »Sprache«. Sondern:

Im Absatz steckt ein Fehler! Und den gölte es herauszufischen, wenn man als Lektor den Auftrag erhielte: »Achte, Lektor, auf alles!«

Lektorat: ein Fall für Thomas, den Ungläubigen, den Zweifler

Die fünfzehn ersten und richtigen Einsendungen werden belohnt: Wer richtig liegt, erhält von mir ein kostenloses Lektorat im Umfang von einer Normseite seiner Wahl.*

Und hier nun der Text, um den es geht. Er stammt aus dem Kriminalroman »Tiefer Fall« der Doggerland-Trilogie von Maria Adolfson.

Dass ich den ganzen Absatz wähle, geschieht aus einem einzigen Grund. Ich will euch verwirren oder freundlicher formuliert: Ich möchte es euch nicht zu leicht machen.

Und nun: los!

Ein Funken Enttäuschung macht sich bemerkbar. Als ob etwas, das Karen festhalten möchte, sich nach und nach auflöst und aus ihrem Sichtfeld verschwindet. Ist es schon so weit gekommen, dass sie einen bestimmten Grund brauchen, um sich anzurufen? Nach zehn Jahren Freundschaft? Sie haben sich damals kennengelernt, als sie, an der Trauer fast erstickt, gerade nach Doggerland zurückgezogen war. Aylin hatte sich zu der Zeit von Eiriks Bruder getrennt. Nach vier Jahren, in denen sie erfolglos versucht hatte, schwanger zu werden, hatte Aylin feststellen müssen, dass ihr Mann sich in eine norwegische Stewardess verliebt hatte und die auf Anhieb schwanger geworden war. Und Eirik kämpfte an drei Fronten gleichzeitig, fest entschlossen, Karen ins Leben zurückzuholen und seine ehemalige Schwägerin zu trösten, während er sich zudem noch mit der Abscheu seiner Eltern gegenüber dem auseinandersetzen musste, was sie seine »Wahl des Lebensstils« nannten. Verwundet und entkräftet hatten die drei einander gestützt, wie ein wackeliger dreibeiniger Schemel.

»Tiefer Fall« von Maria Adolfson. Ullstein-Verlag, List. Seite 125

So leid es mir tut, aber diese Rätselrunde ist beendet. Hier geht’s zur Auflösung –> Klick!

*Ich lese viel und alles, aber ich lektoriere nicht alles.

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