Werbung und ihre Sprache: ziemliche Spitzenscheiße
Ich bin, was den Umgang mit der deutschen Sprache betrifft, konservativ bis in die Knochen. Manchmal mag mir das im Wege stehen bzw. gestanden sein, besonders in meinen Tagen als Werbetexter; doch immerhin darf ich mich „Schöpfer“ nennen von so umwerfend originellen Formulierungen wie „Eine Symphonie in rasant“ (Claim für den Sportwagen C12) oder „ein-zisch-artig“ (für ein Radler, ein Bier-Limo-Getränk).
Ich habe auch nichts gegen Formulierungen wie „Da werden Sie geholfen“ oder „Deutschlands meiste Kreditkarte“, wenn sie von, wie in diesen Fällen, Menschen kommen wie Verona Feldbusch. Feldbusch, die zumeist Brünette, kokettierte damals mit ihrer intellektuellen „Blondheit“, da zwinkerten die Sprüche förmlich mit den Augen: „Nicht ernst nehmen, bitte!“
Werbung und Sprache: Wir können auch anders
Vollkommen ernst gemeint ist hingegen die Stellenausschreibung von redblue. Redblue behauptet von sich, eine der größten Werbeagenturen Münchens zu sein. Größe bemisst sich in meinen Augen immer noch nach a) Höhe oder b) Umfang (ich darf an dieser Stelle an meinen ersten Satz dieses Posts erinnern). Napoleon war beileibe kein „großer“ Feldherr und Heinz Schubert kein „großer“ Schauspieler – großartig waren sie allemal in ihrem Metier!
Wenn also redblue 100 Mitarbeiter beschäftigte, wäre das Unternehmen mit Sicherheit eine der größten, vielleicht sogar die größte Werbeagentur vor Ort. Redblue geht es in seiner Stellenanzeige jedoch um den dritten Inhalt von Größe (um die Bedeutung), und es begründet seinen Anspruch folgendermaßen:
„Gute Werbung, großes Marketing und spitzen Mitarbeiter machen redblue zu einer der größten Werbeagenturen in München.“ (Klicke aufs Bild und – leider – noch einmal auf das nächste, dann siehst du eine größere Ansicht.)
Na gut, zweimal das Adjektiv groß ist nicht so prickelnd, doch einmal abgesehen davon, dass die Aussage möglicherweise zutrifft, verursacht sie Bauchschmerzen. Sie klingt zwar irgendwie richtig, liegt aber haarscharf daneben und ist in einem Punkt sogar falsch.
Großes Marketing? Ist reine Behauptung! Gute Werbung? Ist pure Brustschwellerei! Spitzen Mitarbeiter? Oje – was hammer denn da?
Werbesprache und Texter: unter Druck
Es gibt den Spitzenkandidaten, es gibt die Spitzenkräfte. Zwischen Dortmund und Bayern finden Spitzenduelle statt, und die Spitzenklöpplerin klöppelt ein Spitzendeckchen. Ein Adjektiv (spitze) und ein Substantiv verschmelzen zu einem neuen Substantiv. Der Stellentexter von redblue aber macht etwas anderes: Er dekliniert das Adjektiv. Und das geht im Falle von spitze nun mal gar nicht.
Er hätte Spitzenmitarbeiter schreiben können. Hat er aber nicht, und ich vermute, ihn beschlich der Verdacht, so gut seien sie nun doch wieder nicht, seine Kollegen bei redblue, als dass er sie wie den Spitzensportler an die Spitzenposition hieven könnte.
Trotzdem stand er vor dem Dilemma a) des Dreiklangs und b) der Bauchpinselei und Selbstdarstellung. Die Arbeit hatte er bereits genannt (Werbung und Marketing), da tat sich der Abgrund vor ihm auf! Noch fehlten die Emotion, das Gefühlige, das Selbstverständliche. Sein Text ermangelte all dessen, was, um Himmels willen, nie vergessen werden darf, wenn ein Arbeitgeber sich auf die Bühne begibt: „What about human touch with redblue? What about the künftigen Kollegen?“
Und es grübelte ein Texter auf der Suche nach dem einen Wort, das seinem Chef gefallen könnte und den neuen Mitarbeiter würde magisch anziehen.
Anlauf und Sprung gewagt: Spitzen Mitarbeiter!
Zu kurz gesprungen!
Er hätte die Ohren spitzen sollen, der Texter (wie ich überhaupt der Meinung bin, dass, wer schreibt, gut beraten ist, ein Gehör zu entwickeln für die Musikalität eines Textes); dann wäre ihm der Bruch aufgefallen zwischen den beiden Wörtern.
Spitzen Mitarbeiter ist falsch, definitiv. Es verrät nur, wer in dem Betrieb nicht ganz so spitze ist. Oder wie ich in meinen Tagen als Werbetexter mal formulierte: Kein Supermarkt, aber ein super Markt! (Was dieser letzte Satz mit der Geschichte zu tun hat, weiß ich nun allerdings auch nicht …)
Viel Spaß – und einen spitze Tag! Lass’ scheppern!
PS: Apropos! Ich kann mir nicht helfen, aber mich schreckt der Ton der Annonce ab: donnert, scheppert – da werden Assoziationen wachgekitzelt, die was mit zurrrück-geschossen zu tun haben. Aber für meine Assoziationen ist der Texter von redblue natürlich nicht verantwortlich.
PS 2: Vergnüglich wär’s geworden, wenn er die Kollegen solcherart angekündigt hätte: „Gute Werbung, großes Marketing und spitze Mitarbeiter machen redblue zu einer der größten Werbeagenturen in München.“ Das wäre grammatikalisch korrekt gewesen – und zugleich unter aller Sau!